Verlieben hat etwas mit einem Überraschungsmoment zutun, oder? Man verliebt sich meistens dann, wenn man nicht damit rechnet und meistens in Menschen, die man vorher nie in Betracht gezogen hat oder schlichtweg nicht kannte. Man verliebt sich in den Kollegen, den Freund, Nachbarn oder flüchtigen Bekannten, weil man ihn in einem besonderen Moment aus einem anderen Blickwinkel sieht. Man wird möglicherweise von der Verliebtheit überrascht, wenn man jemandem zum ersten Mal trifft oder nachdem man sich schon Jahre kannte. Was ich sagen möchte: Verliebtheit ist nicht planbar.
Wenn ich von Verliebtheit spreche, meine ich die Begeisterung für einen Menschen, die einen rauschhaft überkommt und nicht rational zu erklären ist. Ein Gefühl, das tief in uns schlummert wird von jemandem erweckt, der wahrscheinlich ganz anders ist, als wir es uns vorgestellt haben. Auf einmal ist es da, dieses Gefühl, worauf man gewartet hat und das man erkennt, wenn man es spürt. Es ist losgelöst von Äußerlichkeiten, beispielhaften Charaktereigenschaften oder Lebensentwürfen.
Mich überkommt ein beklemmendes Gefühl, wenn Menschen sich verlieben wollen, aber nur in andere, die groß, dünn, dick, klein, aktiv, erfolgreich, selbstsicher oder witzig sind. Der Prozess des Verliebens wird geplant, an starre Vorstellungen gekoppelt und verliert darüber jegliche Freiheit, Spontanität und Weite. Das ist einer der Aspekte, warum Dating-Apps oder Verkuppelt zu werden nur in seltenen Fällen erfolgreich sind, denn diese Hilfestellungen für die Partnersuche knüpfen an den falschen Aspekten an. Über ein Bild, eine Selbstbeschreibung, sogar anhand des Musik- oder Literaturgeschmacks können nicht die Ebenen abgefragt werden, die entscheidend sind, um das Herz in einen flatterhaften Zustand zu versetzen. An dieser Stelle könnte ich einen Aufsatz darüber schreiben, was an dem Begriff „Partnersuche“ alles falsch ist, aber das hebe ich mir für eine andere Kolumne auf.
Aspekte, wie ein gemeinsamer Lebensentwurf werden wichtig, wenn man eine langfristige Beziehung führen möchte und werden doch dann im Zusammenleben, im Kennenlernen und Vertrauen entwickelt. Einen Menschen finden zu wollen, der alle Wünsche erfüllt, die der eigene bereits festgeschriebene Lebensentwurf vorsieht, empfinde ich nicht nur als egoistisch, sondern beinahe als Beleidigung. Umso gruseliger die Männer und Frauen, die bereits bei der ersten Begegnung ihre Checkliste abarbeiten wollen. „Willst du Kinder, aha, würdest du für mich umziehen, soso, kommst du mit mir zum Camping, verstehe.“ Grauenhaft. Vor das Gefühl wird ein bürokratischer Akt gestellt, der die Gefühlswelt im Anschluss möglich oder eben nicht möglich machen soll. Ist das nicht die falsche Reihenfolge? Sollten wir uns nicht zuerst verlieben und dann herausfinden, ob aus diesem diffusen Gefühl Liebe, Partnerschaft und Gemeinsamkeit werden kann? Aber sicher.
Gelassenheit und Offenheit
Ob man einen Menschen trifft, der uns verliebt macht, hat sicherlich viel mit Glück zutun, aber ganz bestimmt auch mit Offenheit und Gelassenheit. Ich finde es nicht falsch aktiv Menschen kennenlernen zu wollen und respektiere diejenigen, die ihren Radius zum Beispiel über Online-Dating erweitern. Trotzdem sollte man nicht verkrampfen, sich an starren Vorstellungen festklammern, sondern das Leben einfach passieren lassen. Dafür braucht es Vertrauen und Zuversicht, das steht fest.
Ich habe mich in meinem Leben meistens in die verliebt, die ich schon länger in meinem Umfeld hatte und nur ein einziges Mal in einen Mann, den ich nur einmal gesehen habe – es war kernerschütternd und hat mich gelehrt, dass man immer auf der Hut seien muss. Die Knie werden dann weich, wenn man nicht damit rechnet.
Man sollte sich in unserer standardisierten, schrecklich normierenden Welt zumindest in Sachen Verliebtheit Freiheit bewahren und sich nicht in den Sog ziehen lassen, der uns vorgaukelt die Liebe mit rationalen Ansätzen finden zu können. Checklisten sind für Arbeitsabläufe oder Einkäufe gedacht, nicht für Menschen und Gefühle.
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