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Zehn Dinge, die ich als Freelancer gelernt habe

Nach meinem Abitur habe ich Soziologie studiert und das Studium so schnell wie möglich hinter mich gebracht. Nicht, weil es mir keinen Spaß gemacht hat, sondern weil ich selber den Anspruch an mich hatte das Studium in Regelstudienzeit zu meistern und danach mein Glück als freie Journalistin und Bloggerin zu versuchen. Im Januar 2016 habe ich einen Artikel über meinen Studienverlauf und meine Erfahrungen geschrieben, der Abschluss liegt bereits fünf Jahre zurück. Eigentlich ist das für mich selber nicht zu glauben, denn die Jahre sind so schnell vergangenen und ich hatte kaum Zeit darüber nachzudenken, ob ich doch noch einmal an die Uni zurückkehren möchte. Das kommt vielleicht noch, denn zu studieren, in der Bibliothek zu sitzen, zu recherchieren und zu denken ist etwas Wunderbares. Ich könnte mir gut vorstellen, mich an einer Fernuni einzuschreiben oder Fortbildungen zusätzlich zu meinem Arbeitsalltag zu machen.
Dass die fünf Jahre so schnell vergangenen sind, liegt sicherlich daran, dass mein Plan aufgegangen ist. Ich konnte mich immer, mal sehr gut, mal knapp, über Wasser halten, mein Leben weiterentwickeln, verreisen und mich den ganzen Tag einer Arbeit und einem Beruf widmen, den ich mir selber erschaffen habe. Leicht war das nicht immer, aber ich habe sehr viel gelernt.

1. Motivation ist der Motor 

Ich muss mich vor niemanden rechtfertigen, wenn ich den ganzen Tag im Bett liege, brauche keinen Krankenschein und muss meinen Urlaub nicht anmelden. Das klingt fabelhaft, aber all diese Freiheiten sind Verführungen zu Faulheit und Antriebslosigkeit, oder? Mir ging es eigentlich nie so, denn als Freelancer ist eines von Anfang an klar: Wer nicht arbeitet, verdient kein Geld. Man muss als Freiberufler in der Lage sein sich selber zu motivieren, Antrieb von Innen heraus zu bilden und aufrichtig zu sich selber sein. Es bringt nichts, faule Tage schön zu reden und auf Kollegen kann man Misserfolge oder langsame Fortschritte auch nicht abwälzen. Es gibt nur die eigene Arbeitskraft.
Motivation ist mal mehr und mal weniger präsent, das ist normal. Wenn ich in ein Motivationstief rutsche, hilft es mir zu lesen, die Arbeiten anderer Journalisten und Blogger zu studieren oder mir auf Pinterest Bilder von Häusern oder Orten anzusehen, die ich eines Tages gerne bewohnen oder bereisen würde. Motivierend sind auch Gespräche mit positiven und aktiven Menschen, mit denen man offen über Ängste, Sorgen und Träume sprechen kann.

2. Durchhaltevermögen zahlt sich aus

Von heute auf morgen erfolgreich, im klassischen oder im alternativen Sinne, zu werden, funktioniert in Einzelfällen, ist aber nicht die Regel. Zu akzeptieren, dass Erfolge, Routinen und Sicherheit sich nicht nach wenigen Tagen oder gar Monaten einstellen, ist wesentlich, um als Freelancer zu überleben. Ich habe nie zu den Überfliegern gehört, sondern musste immer, ob in der Schule, dem Studium oder bei sportlichen Aktivitäten, hart für eine gute oder mittelmäßige Leistung arbeiten. Das hat mich als Kind und in meiner Jugend geprägt und mich daran gewöhnt durchzuhalten, viele Stunden für kleine Erfolge zu investieren und stetig an meinen Projekten zu arbeiten. Wer durchhält und auch durch fruchtlose Zeiten hindurch fleißig ist, wird weiterkommen. Ich habe als Freiberuflerin gelernt, dass man durchhalten muss, um sich in seinem beruflichen Umfeld zu etablieren, sich ein Netzwerk aufzubauen und auch finanzielle Sicherheit zu erlangen.

3. Drei Tugenden

Tugenden, wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit helfen, egal ob man in einem angestellten oder freiberuflichen Arbeitsverhältnis zu seinen Auftraggebern und sich selber steht. Wer sich selber und seine Arbeit vermarkten möchte und darauf angewiesen ist, dass Auftraggeber mehr als einmal mit einem zusammenarbeiten, profitiert aber besonders von diesen Tugenden. Ich arbeite zuverlässig, halte Fristen und Termine ein und gehe offen mit Schwierigkeiten oder Verzögerungen um und habe damit schon oft in meinen Ruf und den potentiellen nächsten Auftrag investiert.

4. Ein Auftraggeber reicht nicht 

Sich auf einen Auftraggeber zu verlassen ist keine gute Idee. Als Freiberufler braucht man immer einen Plan B, C oder D, der in Notsituationen greifen und die totale Katastrophe abwenden kann. Auch, wenn es den einen Auftraggeber gibt, der regelmäßig mit mir zusammenarbeitet und mein Grundeinkommen sichert, kann dieser jeder Zeit, ohne dass ich mich dagegen sträuben kann, abspringen. In diesem Fall ist es von Vorteil bereits mit anderen Kunden zusammenzuarbeiten und sich ein Netzwerk geschaffen zu haben. Diese anderen Standbeine können den Ausfall von einem großen Kunden zwar nicht sofort zu 100 Prozent auffangen, aber helfen bei der Neuorientierung und zumindest weiteren, wenn auch wenigeren Einnahmen. Ich finde es außerdem wichtig auch dazu bereit zu sein das monatliche Einkommen mit Nebenjobs, wie Kellern oder Tätigkeiten im Einzelhandel aufzubessern. Ich musste diesen Plan bisher nie in die Tat umsetzen, wäre aber jeder Zeit dazu bereit noch einen anderen Job, der nichts mit meinen Qualifikationen zutun hat, ausfindig zu machen, um mich über Wasser zu halten. Man muss flexibel und sollte nicht zu eitel sein.

5. Ein gutes Netzwerk hilft

Zu akzeptieren, dass ein gutes und vielschichtiges Netzwerk nicht nur das Einkommen, sondern auch die Motivation erhöhen kann, war für mich die größte Herausforderung der vergangenen fünf Jahre. Ich bin ein Eigenbrötler, kann schlecht auf Menschen zugehen oder mich und meine Arbeit im klassischen Sinne vermarkten. Zu „netzwerken“ ist nicht mein Ding. Freiberufler mit einem guten Netzwerk sind aber deutlich erfolgreicher, als diejenigen, die immer nur in ihrem Büro hocken und sich nicht trauen auf Veranstaltungen oder Seminare zu gehen. In diesem Punkt muss ich dringend besser werden, ohne mich dabei zu verbiegen. Ich möchte daran arbeiten meine Arbeitskraft offensiver anzubieten und mich mit Gleichgesinnten auszutauschen.

6. Organisation verschafft Klarheit

Gut organisiert zu sein, ist als Freiberufler wichtig. Man muss im Blick haben, welche Aufträge erledigt und welche Fristen eingehalten werden müssen. Außerdem müssen auch Fristen, im Bezug auf das Finanzamt, fällige Rechnungen und Abrechnungen organisiert und strukturiert werden. Jeder organisiert sich und seine Verpflichtungen anders, aber ein System sollte jeder Freelancer haben. Mir hilft eine gute Organisation außerdem dabei Sicherheit in meinen Alltag zu integrieren, denn davon habe ich sowieso relativ wenig. Ein geordneter Kalender und eine sauber geführte To-Do-Liste geben mir den Halt, den ich brauche und sind der rote Faden in meinem Arbeitsalltag.
Zum Thema Organisation gehören auch möglichst feste Arbeitszeiten. Auch, wenn meine Termine oft außerhalb der klassischen acht Stunden liegen, versuche ich meine Zeit im Büro auf feste Zeiten zu beschränken, jeden Tag pünktlich aufzustehen und gegen 12 Uhr eine kurze Mittagspause zu machen. Obwohl ich mich nicht nach dem klassischen Acht-Stunden-Tag sehne, implementiere ich Elemente dieser Struktur in das freiberufliche Leben. In einem geordneten Rahmen kann man beruhigt freischaffend sein.

7. Scheitern ist normal

Jeder von uns scheitert hin und wieder. Das Geheimnis ist, so haben wir es alle aus „Ein gutes Jahr“ gelernt, „es nicht zur Gewohnheit werden zu lassen“. Wer unkonventionelle Wege geht und keine namenhafte Firma im Rücken hat, scheitert aber wahrscheinlich etwas häufiger in seinem beruflichen Leben. Ich habe in den vergangenen Jahren unzählige Anfragen, Bewerbungen für Zusammenarbeiten oder Pitches formuliert, auf die ich Absagen, oder überhaupt keine Antworten bekommen habe. Das war am Anfang oft schwer für mich, aber ich habe gelernt zu scheitern. Nicht aus jeder Niederlage niedergeschlagen heraus zu gehen, ist wichtig, denn ansonsten würde man zügig den Glauben an sich und seine Idee verlieren.

8. Ungewissheit ist Alltag

Wer schlecht mit Ungewissheit leben kann und sich ständig Gedanken darüber macht, was passiert „wenn…“, sollte sich das Konzept Freiberufler aus dem Kopf schlagen. Obwohl ich Sicherheit und Routinen schätze, macht es mir nichts aus mit dem Risiko zu leben vielleicht in einem Jahr ohne Aufträge dazustehen. Das ist sicherlich eine Frage des Charakters, aber auch eine des sozialen Umfeldes. Ich weiss zum Beispiel, wenn der Worst Case eintritt und ich nichts mehr zutun habe, kann ich meine Wohnung auflösen und zur Not wieder bei meinen Eltern einziehen, bis ich einen neuen Job gefunden habe. Obwohl mir dieses Szenario nicht gefällt, stellt es eine Art Auffangnetz dar. Ich fühle mich nicht komplett alleine. Zudem können Menschen mit einem abgeschlossenen Studium oder einer Ausbildung sicherlich entspannter in eine Freiberuflichkeit starten, als diese, die dieses Privileg nicht haben.

9. Altersvorsorge geht vor

Zum Thema Sicherheit gehört auch das Thema Altersvorsorge. Ich wollte spätestens vor meinem 30. Geburtstag anfangen vorzusorgen und habe es einige Jahre vor diesem Stichtag geschafft meine Renten- und Pflegeversicherung auf den Weg zu bringen. Für mich war das ein riesiger Meilenstein und der größte Schritt in die Eigenverantwortlichkeit seit Abschluss meines Studiums. Obwohl es keinen Spaß macht jeden Monat eine verhältnismäßig große Summe für eine Lebensphase zu bezahlen, die jetzt noch unendlich weit weg scheint, gibt es mir Sicherheit. Ich schlafe besser, fühle mich erwachsen und weiss, dass es der richtige Weg ist. In den nächsten Jahren möchte ich mich gerne in den Bereichen Aktien und Fonds weiterbilden, um auch privat vorzusorgen.

10. Unter den eigenen Verhältnissen leben

Mein Vater hat mir früh erklärt, dass viele Freiberufler oder Gewerbetreibende dann scheitern, wenn sich ihr Umsatz auf einmal stark erhöht. Dann machen einige Menschen den Fehler das Einkommen schnell auszugeben, ohne an die Steuer-Nachzahlungen und erhöhten Vorauszahlungen zu denken, die sie am Ende des Jahres leisten müssen. Gespräche dieser Art haben mir schon als Jugendliche ein Verständnis davon gegeben, wie das Steuersystem funktioniert und dass man als Freiberufler immer einen Überblick über seine Abschläge haben muss. Ich habe mir deswegen angewöhnt unter meinen Verhältnissen zu leben und damit nicht nur für Forderungen des Finanzamtes gewappnet zu sein, sondern auch für unerwartete Autoreparaturen oder Ausgaben, wie einen neuen Computer, denn ich kann weder ohne Auto noch ohne Computer meiner Arbeit nachgehen. Unter meinen Verhältnissen zu leben, hat mir in den vergangenen fünf Jahren Sicherheit gegeben.

Redaktioneller Beitrag 
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